Wo normalerweise rund 6000 Studierende den Campus der Hochschule Aalen bevölkern, herrscht Leere. Keine Grüppchen Studierender, die lachend und schwatzend zur Cafeteria schlendern. Die Hörsäle und Seminarräume sind verlassen, die langen Gänge verwaist. Doch der Schein trügt. Denn die Hochschule bereitet sich in Zeiten der Corona-Pandemie mit Hochdruck auf ein digitales Sommersemester vor. Trotz Notbetrieb wird vom Homeoffice aus an allen Ecken und Enden an einem Online-Campus gearbeitet. „Wir wollen sicherstellen, dass unsere Studierenden bestmöglich weiterstudieren können und unsere rund 640 Erstsemester gut an der Hochschule ankommen“, sagt Rektor Prof. Dr. Gerhard Schneider.
Nach aktuellem Stand beginnt die Vorlesungszeit in diesem Sommersemester am 20. April. In Anbetracht der angespannten Lage ist es wahrscheinlich, dass der Vorlesungsbetrieb zunächst einmal online durchgeführt werden muss. „Wir bereiten uns auf einen außergewöhnlichen Lehrbetrieb vor“, so Rektor Schneider. Einen Studienbetrieb innerhalb kürzester Zeit zu digitalisieren, sei extrem anspruchsvoll. „Dieser Kraftakt kann nur gelingen, weil alle unsere Lehrenden, Mitarbeitenden und insbesondere auch unsere IT-Experten großen Einsatz zeigen“, sagt Schneider. Präsenzveranstaltungen und Vorlesungen werden durch digitale Formate ersetzt, damit die Studierenden die im Sommersemester 2020 vorgesehenen Studienleistungen erbringen können und zugleich die Studierbarkeit gewährleistet ist. Zeitgleich werden derzeit Lösungen erarbeitet, wie Prüfungen am besten abgelegt werden können. „Daher gehen wir auch davon aus, dass sich das Studium durch die geänderte Situation nicht verlängern wird. Wir tun alles dafür, dass unseren Studierenden keine Nachteile entstehen und es ein im weitesten Sinne reguläres Semester wird“, betont der Hochschulrektor.
Dafür hat die Hochschule Aalen diese Woche unter anderem ein neues Web-Konferenz-Tool erworben. Damit können Lehrveranstaltungen mit bis zu 300 Teilnehmenden interaktiv und nutzerfreundlich in verschiedensten Formaten durchgeführt werden. Bereits in den vergangenen Tagen haben viele Professorinnen und Professoren den Studierenden Selbstlernmaterialien in erweitertem Umfang als freiwilliges Angebot zur Verfügung gestellt, bieten Online-Konzepte für innovative Lehrformate an oder präsentieren aufgezeichnete Lehrvideos online. In Chats und Foren werden die Fragen der Studierenden beantwortet. All dies soll dabei helfen, den individuellen Lernfortschritt während der vorlesungsfreien Zeit zu ermöglichen. Auch die Hochschulbibliothek ist für diese besonderen Zeiten gut gerüstet – in den vergangenen Jahren wurde der Bestand an eBooks stark ausgeweitet. „Unsere Studierenden können inzwischen auf mehr als 120.000 Titel zugreifen“, so Bibliothekarin Silke Egelhof. Und mit dem E-Learning und Didaktik Zentrum hat die Hochschule Aalen frühzeitig Kompetenzen in der digitalen Lehre aufgebaut und zahlreiche Erfahrungen gesammelt, auf die sie nun zurückgreifen kann.
Das Team des Zentrums arbeitet schon seit längerer Zeit daran, den Studierenden neue Studienformate im virtuellen Raum anzubieten. „Lernen, beraten, betreuen, austauschen – all das kann auch digital stattfinden“, sagt Prof. Dr. Holger Schmidt, der das Zentrum gemeinsam mit Prof. Dr. Axel Löffler leitet. Die technische Entwicklung ermögliche die Übertragung von Vorlesungen per Livestream oder Videoaufzeichnung. „Unsere Lernplattform ist der digitale Dreh- und Angelpunkt der Hochschule“, so der Mechatronik-Professor, der selbst einen eigenen YouTube-Kanal hat, auf dem er seine Vorlesungen hochlädt. „Natürlich ist das ein Mehraufwand. Aber für Studierende, die krank waren oder den Stoff zu Hause nochmal in Ruhe durcharbeiten wollen, ist das superpraktisch“, findet der 40-Jährige. Auch auf Beteiligung angelegte Veranstaltungen wie Seminare ließen sich sehr gut digital durchführen. Denn schließlich sei die soziale Interaktion für das Lernen extrem wichtig.
Soziale Interaktion, das ist auch für Prof. Dr. Constance Richter ein wichtiges Stichwort. „Klar ist jetzt social distancing das Gebot der Stunde, aber das bedeutet ja nur eine räumliche Trennung. Die Digitalisierung ermöglicht uns einen virtuellen Kommunikationsraum“, sagt die Professorin für User Experience, die zur internen Arbeitsgruppe für Online-Lehre an der Hochschule Aalen gehört. Die Arbeitsgruppe hat verschiedene Szenarien und empfehlenswerte Format herausgearbeitet, um Präsenzveranstaltungen durch Onlineangebote zu ersetzen und das Professoren-Kollegium entsprechend zu unterstützen.
Unterstützung gibt es natürlich auch für die Studierenden. So soll vor allem den Erstsemestern ein „Digital Learning Coach“ zur Seite gestellt werden, um ihnen beispielsweise beim Installieren der Tools oder technischen Problemen zu helfen. „Auch in der Generation der Digital Natives sind nicht alle Digital Natives“, stellt Richter fest und lacht. Die Corona-Krise sei auch eine Chance, die Digitalisierung der Hochschullehre weiter voranzutreiben: „Wir alle sind jetzt sozusagen in einem Live-Experiment, das uns dazu zwingt, neue Methoden in der Lehre zu entwickeln.“ Was nach Corona bleibe, sei sicherlich eine langfristige Tendenz zum „blended learning“, einer Mischung aus Online- und Präsenzunterricht. „Wie die richtige Balance aus digitaler und analoger Lehre aussieht, finden wir jetzt gemeinsam heraus“, sagt Richter. Für Philip Lankes, der im dritten Semester User Experience studiert, ist das jedenfalls alles gerade eine total spannende Zeit. Online-Vorlesungen und andere digitale Lehrformate findet er eine „super Ergänzung“. Dadurch könne man den Lernstoff zu Hause gut wiederholen. Dem Sommersemester in Corona-Zeiten steht der 21-Jährige nicht bange gegenüber. „Wir packen das!“, ist der Student überzeugt. Und als „Digital Learning Coach“ möchte er auch zur Verfügung stehen. „Wir müssen uns jetzt alle gegenseitig helfen.“