Die Arbeitswelt ist im Wandel, nicht erst aufgrund der Corona-Pandemie. Berufsbilder ändern sich – Berufspläne sicherlich auch. Wer heute eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, der darf sich auf viele Herausforderungen freuen, die im Laufe eines Arbeitslebens entstehen. Um diese Möglichkeiten ausschöpfen zu können und mögliche Krisensituationen zu meistern, ist Flexibilität gefragt. Dieser Veränderung in der Arbeitswelt begegnet die Hochschule Biberach (HBC) mit einem neuen Studienkonzept, an dem die Hochschulleitung aktuell gemeinsam mit den DekanInnen aller Fakultäten arbeitet. Erste Neuerungen wird es bereits im kommenden Wintersemester geben – Studienbeginner werden ihren Studienverlauf bereits individueller planen können als es ihren KommilitonInnen bisher möglich war.
Noch seien nicht alle Details ausdiskutiert, „aber die Zielsetzung ist klar“, berichtet Professor André Bleicher, Rektor der Hochschule: „Wir wollen unseren Studierenden ein breites Grundstudium mit breit gefächerten Wahlmöglichkeiten bieten, so dass sie sich zu Beginn ihres Studiums orientieren und im späteren Verlauf entscheiden können, worauf sie sich spezialisieren wollen“. Dies sei aufgrund der Themenfelder der HBC, die viele sinnvolle Schnittmengen bieten, möglich, so die Hochschulleitung. Das zukünftige Studiensystem bietet Einblick in die jeweils anderen Disziplinen – auch dies eine notwendige Voraussetzung für die moderne Arbeitswelt, in der Zusammenhänge immer komplexer werden und Projekte interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendiger machen denn je. „Wer Interdisziplinarität beherrschen will, der muss die Sichtweise und die Sprache anderer Fächer kennen und verstehen“, sagt André Bleicher.
Für die Hochschule Biberach geht es um die Disziplinen Ingenieurwesen und Architektur, Naturwissenschaften und Betriebswirtschaft: In den Themenfeldern Biotechnologie, Energie, Bau und Immobilien bietet die HBC verschiedene Studiengänge und Studienmodelle an. „In diesem Spektrum lassen sich viele interdisziplinäre Bezüge herstellen und vor allem leben“, betont Bleicher.
Ein Beispiel: Die Fakultät Betriebswirtschaftslehre bietet derzeit im Bachelor die eigenständigen Studiengänge BWL (Bau und Immobilien) sowie Energiewirtschaft an. Beide Studiengänge haben eine starke Branchenorientierung und bauen jeweils auf Grundlagenfächern wie Allgemeine BWL, VWL, Rechnungswesen, Bilanzen und Steuern, Investition und Finanzierung sowie Marketing auf.
Künftig, so Professor Norbert Geiger, Dekan der Fakultät BWL, sollen Studierende zu Beginn des Studiums lediglich die Disziplin – in dem Fall die BWL – wählen und innerhalb einer Orientierungsphase von drei Semestern verschiedene Berufsfelder kennenlernen. „Die Entscheidung, ob sich ein Student oder eine Studentin für die Bau- und Immobilienwirtschaft oder die Energiewirtschaft spezialisiert, wird also erst gefällt, wenn er oder sie erste Einblicke erhalten hat“, so Geiger. Neben den beiden bereits bestehenden Schwerpunktfächern sind weitere geplant, etwa General Management und Wirtschaftsrecht. Mit diesem erweiterten Angebot will die BWL-Fakultät Studieninteressierte mit wirtschaftswissenschaftlicher und juristischer Neigung ansprechen.
Auch die Fakultät Architektur und Energie-Ingenieurwesen denkt in diese Richtung. Dekanin Professorin Ute Meyer, zeigt auf, dass sie und ihre KollegInnen eine breite fachliche Basis anbieten wollen. „Auf der Basis allgemeiner Ingenieurwissenschaften können sich im Verlauf des Studiums unterschiedliche Abschlüsse konkretisieren, etwa im Bereich Energie-Ingenieurwesen“, erklärt sie. Den Vorteil eines solchen Studiensystems sieht sie in der Übersicht größerer Zusammenhänge sowie in der Orientierungsmöglichkeit. „Studierende, die zwar grundsätzlich wissen, in welche Richtung sie beruflich gehen wollen, sich aber wenige Wochen nach dem Abitur überfordert damit fühlen, bereits den konkreten Abschluss festzulegen, finden in dieser aufgeweiteten Anfangsphase Spielräume und Perspektiven“, sagt sie.
Auch betont Ute Meyer die Wichtigkeit des Querdenkens: Bislang galten für Ingenieurberufe klar umrissene Aufgabenfelder, erläutert sie, doch in Zukunft würden die traditionell technisch-naturwissenschaftlichen Qualifikation alleine nicht mehr ausreichen. Zunehmend werde es wichtig, schon aus dem Studium heraus ein Verständnis für angrenzende Tätigkeitsfelder mitzubringen. „Manch ein Absolvent oder eine Absolventin hat später im Beruf Herausforderungen vor sich, für die es noch gar keine eigene Ausbildung gibt“, so Meyer. So können Studierende des Energie-Ingenieurwesens künftig Module wie Digitalisierung oder Architektur belegen, Studierende der Architektur den Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Technik.
Das neue Studiensystem der Hochschule Biberach bietet auf die veränderten Anforderungen der Arbeitswelt die richtigen Antworten, ist sich Rektor André Bleicher sicher. Am Beispiel der Zukunftsbranche Energiewirtschaft macht er das Modell deutlich: „Wer sich für Themen wie die Energiewende interessiert, kann ein Studium an der HBC beginnen und im Laufe des Grundstudiums herausfinden, ob die Ingenieur- oder Betriebswirtschaft der passende Zugang für das Berufsfeld ist.“
Weitere Möglichkeiten im Sinne eines Wirtschaftsingenieurs werden sich künftig eröffnen, so André Bleicher, etwa an der Schnittstelle zwischen Ingenieurwissenschaft und Verfahrenstechnik. „Denn die Studiengänge Energie-Ingenieurwesen und Industrielle Biotechnologie arbeiten bereits heute eng zusammen – diese interdisziplinäre Programmatik wollen wir im kommenden Jahr weiter ausbauen und auf all unsere Angebote anwenden – von der Architektur über die Ingenieurwissenschaften für Energie, Bau und Projektmanagement bis hin zu BWL und Biotechnologie“.