Das Bridge Year der DHBW Heidenheim baut eine Brücke in die ganze Welt. 18 junge Menschen aus zwölf Nationen bekommen in der aktuellen Gruppe die Chance, sich für ein Studium oder den Einstieg in die deutsche Arbeitswelt vorzubereiten. Drei von ihnen geben einen Einblick in dieses Projekt, in ihre Erfahrungen und Gefühle: drei Menschen, drei Nationen, drei Geschichten.
Rejoice Haule ist 21 Jahre alt und kommt aus Arusha im ostafrikanischen Tansania. Sie hat in ihrer Heimat das „Ordinary Diploma in Computer Science” und plante einen Studienaufenthalt in Deutschland. Zufällig kam sie ins Gespräch mit einer deutschen Professorin, die an der DHBW Heidenheim unterrichtet und sie auf das Bridge Year aufmerksam machte. Rejoice bewarb sich für ein Stipendium, das ihr die Möglichkeit eröffnen sollte, die Reise nach Deutschland antreten zu können.
Von Tansania auf die Ostalb
Nun ist Rejoice seit August 2019 in Deutschland und setzt sich seitdem mit unserer Kultur, Sprache und dem hiesigen Arbeitsmarkt auseinander. Ohne Sprachkenntnisse, Freunde, Familie und einem Kulturschock im Nacken stellte sie sich der Herausforderung. Trotz aller kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Tansania findet Rejoice sich gut zurecht und spricht begeistert von Heidenheim, das ihrer Heimat kaum weniger ähnlich sein könnte. Einfache Dinge, wie nach dem Weg zu fragen, Tickets zu kaufen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, fielen ihr zwar anfangs schwer, jedoch bewältigt sie diese alltäglichen Dinge mittlerweile immer besser, wie sie sagt.
Arusha ist eine große, multikulturelle Stadt, bekannt auch durch den nahen Nationalpark, der von Giraffen, Elefanten, Zebras und Löwen besiedelt ist. Hier in Süddeutschland kann sie nun durch mittelalterliche Städte spazieren und märchenhafte Ecken kennenlernen. Besonders großen Gefallen hat sie an Kässpätzle gefunden, die sie in Heidenheim zum ersten Mal probierte. So etwas „Verrücktes“ habe sie nie zuvor gegessen gehabt, wie sie amüsiert erzählt.
Bachelor in Serbien, Master in Deutschland
Armir Pajaziti ist 22 Jahre, kommt aus Serbien und ist seit drei Monaten in Heidenheim. Er erfuhr von einem Bekannten, der das Programm bereits absolviert hatte, vom Bridge Year. Armirs Vater wohnt bereits seit drei Jahren in Itzelberg und arbeitet als Maler. Armir hat bereits einen Bachelor in Informatik, will in Heidenheim seinen Master machen und danach auch in Deutschland arbeiten, denn in Serbien verdient ein Informatiker nur circa 400 Euro monatlich.
Armir hatte bereits in Serbien einen zweimonatigen Deutschkurs und spricht für die insgesamt fünf Monate schon gutes Deutsch. Sein Ziel ist es, Ende Juli 2020 die C1-Deutschprüfung erfolgreich zu absolvieren. Schwäbisch versteht er leider überhaupt nicht, erzählt er und lacht. Trotz des intensiven Deutschunterrichts im Bridge Year hält Armir es für wichtig, auch in der Freizeit so viel Deutsch wie möglich zu lernen.
Nepalesin sucht bereits nach Dualem Partner
Die 27-jährige Krisha Bhattari aus Kathmandu in Nepal verließ vor zwei Jahren ihre Heimat, um sich gemeinsam mit ihrem Mann, der bei Voith arbeitet, ein Leben in Deutschland aufzubauen und selbst zu studieren. Ihren Bachelor of Development Finance hat sie bereits erfolgreich in Kathmandu abgeschlossen und danach in einem privaten Krankenhaus als International Communication Officer gearbeitet.
Durch ihre Kenntnisse im wirtschaftlichen Bereich, ihre Offenheit und ihr großes Interesse an Kommunikation mit Menschen ist es ihr Ziel, ein Studium im Sozialmanagement anzutreten. Im Moment ist sie auf der Suche nach einem Dualen Partner in der Umgebung. Obwohl sie ihre Familie in Nepal und die Landschaft dort immer wieder vermisst, möchte sie in Deutschland Fuß fassen, um ihre Fähigkeiten im sozialen Bereich einzubringen.
Die fremde Kultur und die Sprachbarriere brachten für Krisha anfangs Schwierigkeiten mit sich. Dadurch fielen ihr vermeintliche Kleinigkeiten wie das Busfahren schwer. Aus Angst vor Verständigungsproblemen nahm sie lieber einen 45-Minuten-Fußmarsch quer durch Heidenheim in Kauf, als durch Sprachprobleme beim Ticketkauf zu scheitern.
Durch den Sprachkurs und ehrenamtliche Tätigkeiten bei sozialen Einrichtungen verbesserten sich nicht nur ihre Sprachkenntnisse rasant, sondern auch ihr Verständnis für die deutsche und schwäbische Kultur, die sich stark von der nepalesischen Offenheit unterscheide. Mittlerweile erledigt sich also auch der Ticketkauf wie von selbst.
Durch die Teilnahme am Bridge Year erhoffen sich Krisha, Rejoice und Armir mehr Kontakte zu schließen, ihre Deutschkenntnisse weiter auszubauen und einen Dualen Partner für ihr Studium zu finden.
„Ich brenne für diese Aufgabe“
„Die jungen Menschen schätzen das Familiäre hier in Heidenheim“, sagt Ulrike Hirsch. Den Begriff „Familie“ benützt sie immer wieder, wenn sie über die Teilnehmenden im Bridge Year spricht. Bei der Frage, ob sie eine Art „Mutter“ dieser Gruppe ist, lacht Hirsch erst einmal. Ihre Aufgabe sei die Projektkoordination, sie kümmert sich um all das Organisatorische, das anfällt, wenn junge Menschen aus aller Welt ein Jahr zusammen lernen. Natürlich sind auch soziale Qualitäten gefragt, wenn eine junge Frau Heimweh hat oder ein junger Mann nicht so schnell Anschluss findet. Als einmal zwei junge Männer aus Indien und Kolumbien an Weihnachten alleine waren, holte Ulrike Hirsch sie kurzerhand in ihre Familie und feierte mit ihnen und den per Skype zugeschalteten Familien. „Ich brenne für diese Aufgabe“, sagt sie.
2015 wurde das Bridge Year an der DHBW Heidenheim erstmals angeboten. Teilnehmen können Volljährige mit Hochschulzulassung, also einem dem deutschen Abitur gleichwertigen Schulabschluss. Sie absolvieren vor allem einen intensiven Sprachkurs, der sie binnen eines Jahres zum fortgeschrittenen C1-Sprachniveau bringt. Sie trainieren aber auch das Bewerben und lernen die deutsche Kultur kennen. „Das Programm ist sicher kein Spaziergang“, sagt Hirsch, die Teilnehmenden brächten aber auch hohe Motivation mit, sich für ein Studium und eine berufliche Zukunft in Deutschland zu qualifizieren. Sie müssen zudem eine Teilnahmegebühr von 3500 Euro aufbringen und für Miete und Verpflegung selbst sorgen. Für das Visum ist außerdem ein Sperrkonto mit einigen Tausend Euro darauf nötig. Stark unterstützt wird das Programm vom Förderverein der DHBW Heidenheim.
Nach etwa einem halben Jahr absolvieren die jungen Leute im Bridge Year erste Vorstellungsgespräche mit potenziellen Partnerunternehmen für ein duales Studium. Ziel der Teilnehmenden ist schließlich, nach diesem vorbereitenden Jahr den nächsten Schritt in die berufliche Zukunft zu starten. Etwa ein Drittel, erzählt Ulrike Hirsch, nimmt ein Studium an der DHBW auf, ein weiteres wird an einer anderen Hochschule studieren oder eine Berufsausbildung beginnen. Das übrige Drittel begreife das Bridge Year vor allem als Auslandserfahrung. „Viele Unternehmen nehmen das Potenzial dieser Bewerber wahr“, glaubt Ulrike Hirsch. Wer das Bridge Year absolviere, gelte als sehr motiviert.
„Eine Win-win-Sitaution“
Im Bridge Year geht es aber nicht nur um die Wissensvermittlung. Das Zwischenmenschliche gehört untrennbar dazu. So engagieren sich die jungen Leute jedes Jahr in einem sozialen Projekt und stellen den Bewohnern des Pflegeheims der Stiftung Haus Lindenhof ihre Heimatländer in wöchentlichen Präsentationen vor. „Eine Win-win-Sitaution“, sagt Ulrike Hirsch, „die Teilnehmenden können sich im Präsentieren üben, die alten Menschen können ferne Länder kennenlernen.“ Für soziale Kontakte sorgen auch die sogenannten Buddies, Studierende der DHBW, die ehrenamtliche Bridge-Year-Teilnehmende unter ihre Fittiche nehmen, mit ihnen zum Sport oder ins Kino gehen und ihre Ansprechpartner sind. Interessierte können sich über die Website der Studierenden-Vertretung (stuv-heidenheim.de) als Buddies melden.
Das Bridge Year
Das Bridge Year ermöglicht jungen Menschen aus aller Welt einen Einblick in die deutsche Kultur, Gesellschaft und letztendlich einen Fuß in das Berufsleben zu bekommen. Das Programm arbeitet darauf hin, den Teilnehmenden bestenfalls ein Studium an der DHBW oder einer benachbarten Hochschule zu ermöglichen.
Die derzeit 18 Teilnehmenden aus zwölf verschiedenen Nationen, darunter Nepal, Tansania, Serbien, Kamerun, Georgien, China, Pakistan, Brasilien, Chile, Tschechien, Indien und Dubai lernen an fünf Tagen in der Woche für jeweils vier Stunden täglich Deutsch.
Die Teilnehmenden haben sogenannte „Buddies“, ortsansässige DHBW-Studierende, die als eine Art Guide zur Seite stehen. Die Buddies greifen ihren Partnern bei organisatorischen Dingen (z. B. Handyvertrag) unter die Arme und nehmen sie mit zu Partys und anderen Veranstaltungen.
Die Bridge-Year-Gruppe unternimmt zusammen einerseits Ausflüge wie Städtebesichtigungen (z.B. Weihnachtsmarkt in Stuttgart), kocht gemeinsam und organisiert Partys sowie Restaurantbesuche. Es werden Unternehmen in der Region besucht und vorgestellt, um ein Netzwerk für die Teilnehmenden zu generieren, von dem sie im besten Fall ihr Leben lange profitieren, wie Erfahrungsberichte zeigen.
Weitere Informationen zum Bridge Year finden Sie hier.