Das Sommersemester 2021 ist das dritte Semester an der Hochschule Aalen, das aufgrund der Corona-Pandemie fast ausschließlich online stattfinden konnte. Besonders vermisst haben Studierende und Lehrende in dieser Zeit die sozialen Kontakte, den persönlichen Austausch, unmittelbare und direkte Rückfragen ohne Barriere in oder nach der Vorlesung sowie Reaktionen aufzugreifen. Gleichzeitig haben sie aber auch von den Vorteilen der digitalen Formate profitiert: So können die Studierenden von überall aus an den Vorlesungen teilnehmen, unterschiedliche Lerntypen werden in neuen, verschiedenen Medienformaten besser berücksichtigt und manche Lehrveranstaltungen können digital direkt in Programmen gemeinsam angewendet werden. Ab dem Wintersemester 2021/22 will die Hochschule Aalen wieder Präsenzveranstaltungen anbieten und gleichzeitig die positiven Effekte der Online-Lehre erhalten. Prof. Dr. Constance Richter und Prof. Dr. Marcus Liebschner vom Digital Learning Team der Hochschule Aalen zeigen, wie hybride Lehre – also die Kombination aus Präsenz- und Onlineveranstaltungen – beide „Welten“ vereint und geben einen Ausblick auf die Zukunft der Lehre.
Nichts beschäftigt Hochschulen seit Beginn der Pandemie mehr als die neuartige Gestaltung der Lehre. Die vergangenen drei Semester an der Hochschule Aalen fanden überwiegend digital statt. Die Lehrenden haben ihre Konzepte der Situation entsprechend nicht nur angepasst, sondern weiterentwickelt und teilweise ganz neu erfunden. Diese neuen Konzepte nun über Bord zu werfen, wäre ein Schritt zurück. Die Hochschule Aalen will die Chancen der digitalen Lehre nutzen und mit dem bewährten Präsenzbetrieb vereinen. Hybride Konzepte stehen dabei ab dem Wintersemester 2021/22 im Fokus: Die Lehre soll dann primär in Präsenz auf dem Campus stattfinden und wird gleichzeitig live gestreamt, die Studierenden können vor Ort an den Vorlesungen teilnehmen oder sich von überall aus online zuschalten.
Lehrende als auch Studierende wurden in den letzten drei Semestern neben der fehlenden sozialen Interaktion und Konzentrationsschwierigkeiten durch technische Ausrüstung und Verbindungsprobleme in den virtuellen Lehrveranstaltungen herausgefordert. „Oftmals entscheidet die Technik, wie gut wir sehen und hören. Uns allen fehlt das Feedback in Form von Augenkontakt oder Geräuschen. Andererseits ergaben sich durch die Digitalisierung der Lehre auch Vorteile wie Barrierefreiheit, Chancengleichheit und die Berücksichtigung persönlicher Umstände und Lerntypen“, sagt Richter, die die Studienangebote Technical Content Creation und User Experience an der Hochschule Aalen leitet und 2020 den Lehrpreis der Hochschule Aalen gewann.
Der Übergang in ein neues Lehrformat, die hybride Lehre, soll nun so einfach wie möglich gestaltet werden. „Unsere Lösung: Die Lehrenden besorgen sich zum Beispiel ein empfohlenes eigenes mobiles, handliches Set bestehend aus Stativ, Webcam und Mikrofonen. Sie können sich in kurzer Zeit damit vertraut machen und diese Sicherheit schafft wiederum Souveränität“, sagt Liebschner, Dekan der Fakultät Elektronik und Informatik. Zusätzlich werden sie vom Team der Lernmanagementsoftware der Hochschule Aalen bei allen Fragen zur Online-Lehre unterstützt und können verschiedene Schulungs- und Austauschmöglichkeiten in Anspruch nehmen, um sich mit neuen Methoden- und Lernformen vertraut zu machen bzw. diese weiterzuentwickeln.
Im hybrid entwickelten Format werden Beamer, Konferenztools wie Zoom und eine Webcam gestartet, das Mikrofon eingeschaltet und jeweils das Kamerabild mit der Tafel bzw. auch der entsprechende Foliensatz geteilt. Die Lehrenden schreiben entweder direkt in den Foliensatz oder auf die Tafel. Gruppen werden nicht nach Präsenz oder Online, sondern heterogen, also medienübergreifend, zusammengesetzt. „Unser Ziel ist es, dass nicht die technischen Voraussetzungen im Vordergrund stehen, sondern es um den Inhalt der Veranstaltungen geht und alle die gleichen Möglichkeiten haben, egal, ob sie vor Ort an der Hochschule sind oder digital teilnehmen. Deshalb haben wir unsere Räume umfassend ausgestattet, um alle Vorteile der Präsenz und Digitalisierung für uns nutzbar zu machen“, sagt Richter. „Der große Vorteil der Präsenz liegt dabei natürlich vor allem in unseren fünf Sinnen, die voll ausgeschöpft werden wollen.“ Liebschner: „Viele Studierende melden uns zurück, dass der Lernerfolg in Präsenz durch eine ‚andere‘ Aufmerksamkeit besser ist. Auch besonders geschätzt wird beispielsweise von den Studierenden der Elektrotechnik immer noch die haptische Lehre an der guten alten Tafel, da sie hier den Lehr- und Lernprozess zielgerichteter nachvollziehen könnten. Zudem ist die Barriere für Rückfragen wesentlich niedriger und die Lehre wird entschleunigt, weil sie Schritt für Schritt die Aufgabenlösung mitverfolgen können.“
Die hybride Lehre ermöglicht also einen Präsenzunterricht, den sich viele Studierende sehnlichst zurückwünschen, gleichzeitig eröffnet sie eine Teilnahme von zu Hause. Sollten zum Beispiel aufgrund der Pandemiesituation nur wenige Teilnehmende vor Ort zugelassen sein, kann man trotzdem Präsenz in kleinen Gruppen ermöglichen. Zusätzlich ermöglicht das Konzept den Studierenden eine flexiblere Teilnahme am Studium, auch ohne Corona-Einschränkungen. Die Erfahrung zeigt schon heute: Hybride Lehre steigert nachweislich die Interaktion auf allen Seiten im Gegensatz zur reinen Online-Lehre und die Studierenden wünschen sich hybride Konzepte. Sie sind von den neuen Möglichkeiten begeistert und wollen diese gerne nutzen. „Wer lernen will, bekommt gute Bildung – egal, ob online oder in Präsenz. Hybrid heißt: Wir ziehen uns das Beste aus beiden Seiten, der Mix macht es aus“, sind sich die Professoren Richter und Liebschner einig.